Ronald McDonald verlässt Russland, der Moskwitsch kommt zurück (2024)

Sowjet-Kult statt Fast Food

Ronald McDonald verlässt Russland, der Moskwitsch kommt zurück

Ronald McDonald verlässt Russland, der Moskwitsch kommt zurück (1)

So sieht der „Mc-Donald's“-Schriftzug auf Russisch aus. Die meisten Filialen sind in dem Land schon seit März geschlossen.

Quelle: picture-alliance / dpa

Am Rückzug von McDonald‘s aus Russland lässt sich die Zuspitzung des Konflikts zwischen dem Land und dem Westen besonders deutlich ablesen. Renault verlässt den großen russischen Markt ebenfalls, hält sich aber eine Hintertür offen. Sowjet-Kult soll die entstandenen Lücken füllen.

Moskau. Eines der eindrücklichsten Symbole für die Öffnung des Eisernen Vorhangs steht in der Moskauer Bol‘schaja-Bronnaja-Straße im Herzen der Stadt: „Als dort 1990 die erste McDonald‘s-Filiale in der Sowjetunion eröffnete, war das ein großer Moment, an dem die Menschen das Ende des Kalten Krieges und der Spannungen mit dem Westen gekommen sahen“, sagt Paul Musgrave, Professor für Politikwissenschaft an der University of Massachusetts in Amherst.

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Insofern steht die Ankündigung der weltgrößten Schnellrestaurantkette vom Montag, sich endgültig aus Russland zurückzuziehen, nun in besonderer Weise für die nachhaltige Entfremdung, die zwischen Moskau und dem Westen seit dem 24. Februar eingetreten ist: „Es ist zu befürchten“, sagt Musgrave, „dass der gegenwärtige Abzug von McDonald‘s am Anfang eines jahre- oder vielleicht sogar jahrzehntelangen Zeitraums steht, in dem Russland und der Westen zu keiner kommerziellen oder wirtschaftlichen Kooperation in der Lage sind.“

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Es ist unmöglich, die durch die Geschehnisse in der Ukraine verursachte humanitäre Krise zu ignorieren.

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Die Worte, mit denen McDonald‘s-Chef Chris Kempczinski am Firmensitz in Chicago den Rückzug aus Russland begründete, hörten sich schon einmal so an, als ob Musgraves Prognose genauso eintreten wird: „Es ist unmöglich, die durch die Geschehnisse in der Ukraine verursachte humanitäre Krise zu ignorieren“, sagte der Topmanager. „Und es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass die Goldenen Bögen noch dieselbe Hoffnung und dasselbe Versprechen repräsentieren, die uns vor 32 Jahren zum Eintritt in den russischen Markt veranlasst haben.“

McDonald‘s wird wohl nicht vollständig aus Russland verschwinden

Für die 1,7 Millionen Burgerfans, die in den 847 russischen Filialen der Fastfoodkette bis zur Zuspitzung der Ukraine-Krise jeden Tag einkehrten, sind das buchstäblich ernüchternde Neuigkeiten. Dabei sieht es im Augenblick gar nicht unbedingt so aus, als ob das geschwungene goldene M tatsächlich vollständig aus dem russischen Straßenbild verschwinden wird. Noch sind zwar nicht alle Details des McDonald‘s-Rückzugs bekannt, doch es gibt erste Anzeichen dafür, dass jene Filialen, die von Franchise-Nehmern betrieben werden, ihren Betrieb normal aufrechterhalten können.

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Aussagen in diese Richtung gab es in der Millionenmetropole Jekaterinburg, in der aufgebrachte Kunden nach der Mitteilung aus Chicago die noch offenen McDonald‘s-Restaurants der Stadt überrannten, um ihren womöglich letzten Burger verspeisen zu können. Dass dies überhaupt möglich war, lag daran, dass sich die von Franchise-Nehmern betriebenen Filialen dem vorläufigen Rückzug der Imbisskette im März bislang nicht angeschlossen haben. „Die Leute stehen eine halbe Stunde für einen Burger an“, meldete das regionale News-Portal „Ura.ru“, „und obwohl die Schlangen vor den Kassen ewig lang sind, strömen immer noch mehr Leute in die Läden.“

Der Betreiber des Restaurants in der Jekaterinburger Malischewa-Straße versuchte denn auch die Gemüter zu beruhigen: „Wir arbeiten auf Franchise-Basis und haben nicht vor, zu schließen“, sagte er „Ura.ru“. „Das Management hat uns bislang keine derartigen Anweisungen erteilt. Wir werden weiterarbeiten.“

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Schon im Juni soll es einen McDonald‘s-Nachfolger geben

Die Ansage gibt russischen „Big Mac“- oder „Homestyle Crispy Chicken“-Fans einen kleinen Anlass zur Hoffnung. Denn McDonald‘s hatte in seiner Mitteilung vom Montag betont, dass die Lizenzrechte in Russland erhalten bleiben sollen. Die Nutzung der Marke wäre für die Franchise-Nehmer also weiterhin möglich. Ihnen dies zu verweigern, könnte für den US-Konzern auch vertragsrechtlich problematisch werden: „So ein Franchise-Nehmer investiert bei McDonald‘s für einen Laden circa eineinhalb Millionen Euro“, verdeutlicht der Markenexperte Karsten Kilian von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Die Frage ist deswegen, was in den Verträgen geregelt ist. Wie gehe ich aus einem Vertrag raus, wenn ein Krieg eintritt? Da steht ja nicht drin: ‚Im Falle eines Krieges gilt dies oder jenes.‘ Die vertragliche Verlässlichkeit könnte also gefährdet sein, wenn die Geschäftsbeziehungen kurzfristig beendet werden.“

In jedem Fall wird die Präsenz des goldenen Ms in Russland in Zukunft aber deutlich schwinden. Denn die Filialen, die McDonald‘s bislang in Eigenregie betrieben hat, sollen für einen unbekannten Preis an einen Investor verkauft werden, ohne dass dieser die Markenrechte künftig nutzen darf. Dabei handelt es sich um den ganz überwiegenden Anteil des McDonald‘s-Geschäfts in Russland: Unter den 20 Schnellrestaurants, die etwa in der Moskauer Innenstadt innerhalb des dritten Verkehrsrings liegen, sind offensichtlich zwei Franchise-Unternehmen, denn sie sind nach wie vor geöffnet. Hochgerechnet auf das ganze Land würde das bedeuten, dass sich Ronald McDonald, das weltbekannte Maskottchen des Unternehmens, zu 90 Prozent aus Russland verabschiedet.

Den Namen des Käufers nannte McDonald‘s in seiner Mitteilung nicht, doch offenbar gibt es schon eine Einigung mit ihm: Die RBK-Mediengruppe zitierte einen Eingeweihten in die Verhandlungen mit den Worten: „Alle McDonald‘s-Immobilien werden verkauft, alle Arbeitsplätze sind gerettet, es wird eine neue Marke und eine neue Kette von Fast-Food-Läden geben, die an den bisherigen McDonald‘s-Standorten eröffnet werden. Wir hoffen, das erste Restaurant im Juni in Betrieb nehmen zu können.“

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„Billig, schnell und lecker“ wird wohl nicht mehr genauso funktionieren

Ein großer Trost für die Russen, für die die Präsenz der weltgrößten Fastfoodkette in ihrem Land immer auch für westliches Freiheitsempfinden stand, ist das offensichtlich nicht: „Der komplette Ersatz von McDonalds in Russland wird nicht möglich sein“, sagte der Wirtschaftsexperte Roman Imonsemtsew dem regionalen News-Portal „Krasnodarmedia“. Die Erfahrungen auf der Krim und im Donbass würden zeigen, dass McDonald‘s dort nach seinem Abzug von nachfolgenden Unternehmen nicht gleichwertig ersetzt werden konnte: „Der neuen Gesellschaft fehlen die Investitionen, Technologien und die Logistik der bisherigen Muttergesellschaft“, erläuterte Imonsemtsew. Und es werde schwierig sein, die bisherige Lieferkette aufrecht zu erhalten.

In der Folge müsse entweder an der Qualität gespart oder die Preise erhöht werden. „Das bedeutet, dass das bisherige Geschäftsmodell, das auf dem Prinzip ‚billig, schnell, lecker‘ basiert, nicht aufrechterhalten werden kann.“ Allerdings halte sich das Unternehmen „DonMak“, das in der ukrainischen Separatisterepublik Donezk aus McDonald‘s hervorgegangen sei, nach acht Jahren noch immer über Wasser.

Ronald McDonald verlässt Russland, der Moskwitsch kommt zurück (6)

Klingbeil: Das Ende von Putin ist eingeleitet

Die russische Bevölkerung werde erkennen, dass der Kremlchef das Land durch den Krieg in der Ukraine um Jahrzehnte zurückwirft, sagt der SPD-Chef.

McDonald‘s ist allerdings nicht der einzige Rückzug eines multinationalen Konzerns, den Russland derzeit verkraften muss. Nahezu zeitgleich wie die Schnellrestaurantkette kündigte der Autohersteller Renault an, das Land zu verlassen. Auf den ersten Blick scheint die Abwendung der Franzosen von Russland einen noch stärkeren Einschnitt darzustellen als die der Amerikaner. Denn Renault verkauft sein Werk in Moskau und seine 67,7-prozentige Beteiligung an dem russischen Lada-Hersteller AvtoVAZ nicht zu einem ausgehandelten Betrag wie es McDonald‘s mit seinen Filialen tut, sondern zum symbolischen Preis von jeweils einem Euro. Der Abschreibungsbedarf ist bei Renault mit 2,3 Milliarden Dollar denn auch deutlich höher als die 1,4 Milliarden Dollar, die McDonald‘s negativ verbuchen muss.

Da Renaults Produktionsanlagen von der Stadt Moskau sowie dem staatlichen Zentralinstitut zur Förderung von Automobil- und Motorenbau NÁMI übernommen werden, wirkt die Transaktion wie eine Verstaatlichung, die sie bei näherem Hinsehen aber nicht ist. Denn Renault sicherte sich für sechs Jahre eine Rückkaufoption des bisherigen AwtoWAS-Anteils. Sollte es zum Wiedereinstieg bei dem russischen Autohersteller kommen, müsste Renault wohl auch eher einen symbolischen Betrag entrichten, der deutlich unter dem Milliardenbetrag liegt, der jetzt abgeschrieben werden muss.

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Tscheburek statt Burger

Der Deal hat so für beiden Seiten Vorteile: Renault hält sich die Rückkehr auf den riesigen Markt Russland mit 144 Millionen Einwohnern offen, während der russische Staat funktionierende Autowerke übernimmt und somit 45.000 Arbeitsplätze erhält. Dass dafür am Standort Moskau nach 16 Jahren die sowjetische Kultmarke „Moskwitsch“ wiederbelebt wird, ist ein reiner Marketinggag, der allein die patriotischen Gefühle potenzieller Käufer ansprechen soll, vorläufig aber nicht zur Produktion völlig neuer und zeitgemäßer Moskwitsch-Fahrzeuge führen wird. Vielmehr werden in dem bisherigen Moskau Renault-Werk in Moskau die Modelle Logan, Sandero und Duster weiterhin de facto vom Band laufen, wenn auch in leicht variierter Form: „Kühlerhaube, Grill und Logo werden sich ändern, sonst nichts“, sagt Markenexperte Kilian. Weitere Umarbeitungen seien in einem eingespielten Produktionsprozess viel zu aufwändig.

Und so kommt es zu der kuriosen Entwicklung, dass Russland um eine historische Kultmarke reicher wird, obwohl der dahinterstehende Rückzug des Warenzeichens Renault weit weniger endgültig ist als der Fortgang der Fastfoodkette McDonald‘s, deren Marke in Russland aber wohl erhalten bleibt.

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Ist Transnistrien Putins nächstes Ziel?

Die kleine Republik Moldau hat gemessen an der Bevölkerungszahl so viele ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen wie kein anderes Land. Mit dem russischen Vormarsch im Süden der Ukraine wächst in Moldau die Sorge, dass der Krieg übergreift. Zumal in der abgespaltenen Region Transnistrien schon 2000 russische Soldaten stationiert sind.

Doch auch das goldene M könnte wegen der offenbar einsetzenden Rückbesinnung auf die sowjetische Vergangenheit weniger stark strahlen als künftig ohnehin. Denn manch russischer Burger-Schmauser nimmt den erzwungenen Verzicht auf Big Macs und McNuggets persönlich: „Es ist an der Zeit, sich wieder auf gewöhnliche Knödel, weingefüllte Gläser und Tschebureks zu besinnen“, schreibt der User Alexander Korobkin in der Kommentarspalte des Jekaterinburger Regionalportals „e1.ru“ und verweist auf „Tscheburetschnaja USSR“. Die Restaurantkette, die sich der Popularisierung der guten alten Sowjetkost, bestehend etwa aus Pelmeni, Borschtsch und den halbrunden Tscheburek-Teigtaschen verschrieben hat, betreibt auch eine Filiale in der Moskauer Bol‘schaja-Bronnaja-Straße, direkt neben dem bisherigen Flagship-Store von McDonald‘s.

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